Referenz Telefónica Germany
Komplexität als Herausforderung
Wie meistert Telefónica O2 die steigende Komplexität des Mobilfunknetzes? Welche Herausforderungen gibt es in Zukunft bei der Netzplanung?
Ein Interview mit Dipl.-Ing. Zoran Gardijan, Manager Operations Support Systems bei Telefónica Germany.
Telefónica O2 und MicroNova arbeiten seit mehr als zehn Jahren bei der Konfiguration des Funkzugangsnetzes (Radio Access Network (RAN)) zusammen. In dieser Zeit hat sich Telefónica Germany zu einem der führenden Mobilfunkanbieter Deutschlands entwickelt. Auch technologisch hat sich im letzten Jahrzehnt viel verändert: Die Übertragung mobiler Daten gewann rasant an Bedeutung, und das für Gespräche und Kurznachrichten ausgelegte Mobilfunknetz entwickelte sich Schritt für Schritt zu einem Breitbandnetz mit hohen Datenvolumina.
Zoran Gardijan erklärt im Interview mit der MicroNova Kundenzeitschrift InNOVAtion, wie sein Unternehmen diese Veränderungen gemeistert hat und welche Herausforderungen in Zukunft anstehen.
InNOVAtion
Telefónica Germany hat sich bereits sehr früh dafür entschieden, die Konfiguration des Mobilfunknetzes mit Hilfe eines Tools weitestgehend automatisiert und prozessgestützt durchzuführen. Worin sehen Sie hier die wesentlichen Vorteile?
Zoran Gardijan
Die Konfiguration des Mobilfunknetzes ist eine komplexe Aufgabe. Ohne Unterstützung durch geeignete Tools lässt sich das heute kaum noch bewältigen. Telefónica Germany hat derzeit beispielsweise etwa eine viertel Million physische Mobilfunkstandorte, also Sendemasten. Bei jeder einzelnen Sendeanlage müssen mehrere tausend Parameter eingestellt werden, um eine optimale Netzqualität zu garantieren. Ohne eine Applikation wie COM5.Mobile (früher: CPCM), welche die notwendigen Prozesse soweit wie möglich automatisiert, wäre das eine sehr aufwändige und ressourcenintensive Aufgabe. Auch die Fehlerquote wäre ohne Tool-Unterstützung deutlich höher. Die manuelle Konfiguration ist in diesem Umfeld einfach nicht zuverlässig genug.
Darum haben wir uns bereits sehr früh für eine weitgehende Prozessautomatisierung mit COM5.Mobile entschieden. Die Qualität steigt, gleichzeitig können wir die Kosten für die Netzkonfiguration möglichst gering halten. Diese Entscheidung hat sich für uns schnell gelohnt und rentiert sich auch heute noch, da wir die vorhandenen Ressourcen dank COM5.Mobile viel effizienter einsetzen können. Zudem ermöglicht uns die Lösung von MicroNova einen durchgängigen Configuration Management Prozess und damit ein korrektes, kontrolliertes Konfigurieren. So wissen wir immer ganz genau, wie unser Mobilfunknetz wirklich aussieht.
InNOVAtion
Welche konkreten Herausforderungen gab es in den letzten zehn Jahren bei der Konfiguration des Funkzugangsnetzes?
Zoran Gardijan
Das Mobilfunknetz hat sich im letzten Jahrzehnt immerhin rasant weiterentwickelt und ist deutlich komplexer geworden. Aus einem Standard sind drei Standards geworden. Neben Gesprächen wächst der Bedarf an mobiler Datenübertragung rapide – sowohl im privaten wie im geschäftlichen Umfeld. Zudem wird das Mobilfunknetz zunehmend auch für die Datenerfassung von Sensoren genutzt – Stichwort „Internet of Things“ und „Industrie 4.0“. Um die steigende Nachfrage nach mobilem Zugang zum Internet abdecken zu können, haben die Betreiber die Netze immer weiter ausgebaut – neben den zwei neuen Mobilfunkstandards eben auch mit zusätzlichen Sendemasten.
Die Einführung der beiden Standards war für uns eine der größten strategischen und logistischen Herausforderungen im letzten Jahrzehnt. Bei derartigen Projekten spielt das richtige Netzmanagement eine entscheidende Rolle, nur so lassen sich neue Technologien wie das Hochgeschwindigkeitsdatennetz LTE großflächig und reibungslos ausrollen. Hier war COM5.Mobile eine große Hilfe. Mit dem Tool konnten wir einen erfolgreichen LTE-Netzbetrieb zuverlässig und schnell erreichen.
Eine weitere Herausforderung war die Zusammenführung der Mobilfunknetze von E-Plus und O2 in 2015 nach dem Zusammenschluss von Telefónica Deutschland und der E-Plus Gruppe. Um unseren Kunden ein noch engmaschigeres Netz ohne unnötige Überlappungen zu bieten, haben wir die beiden 3G-Netze zusammengeschaltet. Dazu waren zahlreiche Änderungen an der Netzkonfiguration nötig. Auch haben wir viele und umfangreiche Anpassungen der Handover-Beziehungen zur Übergabe von Gesprächen zwischen Funkzellen vorgenommen. Das war keine leichte Aufgabe und wäre ohne ein Tool wie COM5.Mobile kaum zu schaffen gewesen.
InNOVAtion
Trotz der gestiegenen Komplexität sind die Größe Ihres Teams sowie die Netzkonfiguration relativ stabil geblieben. Liegt das nur an COM5.Mobile?
Zoran Gardijan
*lacht* Beinahe. Mein Team ist vor allem für die Entwicklung des Mobilfunknetzes von Telefónica Germany zuständig. In den letzten Jahren haben zwar sowohl die Komplexität als auch die Nutzerzahlen zugenommen, aber dank der Unterstützung durch MicroNova konnten wir beides ohne zusätzliche Ressourcen meistern – und ohne jeden Tag Überstunden anzuhäufen. Also war nicht nur COM5.Mobile eine große Hilfe, sondern auch die Mitarbeiter von MicroNova. Sie haben die Lösung kontinuierlich weiterentwickelt und optimiert. Dadurch waren wir auch in der Lage, die Zusammenführung des E-Plus- und O2-Netzes quasi „nebenbei“ durchzuführen.
InNOVAtion
Telefónica hat sich mit COM5.Mobile für eine Lösung entschieden, die MicroNova sehr spezifisch an interne Prozesse angepasst hat. Welche Vorteile bieten derart individualisierbare Lösungen Ihrer Meinung nach gegenüber Standard-Tools, wie sie etwa Netzwerk-Lieferanten mit anbieten?
Zoran Gardijan
Zum einen gibt es solche Standard-Applikationen der Netzwerk-Lieferanten noch nicht so lange, sie sind erst mit dem Konzept der Self-Organizing-Networks (SON) aufgekommen. Zum anderen bieten derartige Tools bei Weitem nicht die Effizienz, die uns der Einsatz einer individuell angepassten Lösung wie COM5.Mobile ermöglicht. Auch der Funktionsumfang ist etwas geringer. Standard-Tools können für den Einsatz in sehr kleinen Ländern mit einem entsprechend überschaubaren Mobilfunknetz durchaus ausreichen, für große und komplexe Netze wie in Deutschland lohnt sich hingegen die Anschaffung einer anpassbaren und Multi-Vendor-fähigen Lösung.
MicroNova hat das Basisprodukt COM5.Mobile in enger Zusammenarbeit mit uns in der Tat sehr genau an die internen Prozesse bei Telefónica angepasst. Dadurch ist eine sehr effiziente Lösung entstanden, die sich optimal in unsere internen Abläufe einfügt. Diese Mischung aus Produkt- und Lösungscharakter vereint für uns das Beste aus beiden Welten.
InNOVAtion
GSM, UMTS, LTE – im digitalen Mobilfunk gab es in der Vergangenheit etwa alle zehn Jahre eine neue Technologie. Jetzt steht mit 5G bzw. LTE Advanced bereits der nächste Standard in den Startlöchern. Glauben Sie, dass weiter etwa jedes Jahrzehnt eine Technologie hinzukommt? Oder wird der eine oder andere „alte“ Standard aus dem Netz verschwinden?
Zoran Gardijan
Theoretisch gibt es keine Obergrenze, wie viele Technologien gleichzeitig in einem Mobilfunknetz genutzt werden können. Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass ein oder mehrere Standards in Zukunft auch wieder aus dem Netz genommen werden. So ist es beispielsweise denkbar, dass UMTS eines Tages komplett durch LTE ersetzt wird. Auch werden derzeit teilweise Diskussionen geführt, ob GSM ausläuft, damit Frequenzen für LTE frei werden. Der limitierende Faktor für die Anzahl der verwendeten Technologien sind eher die Frequenzbänder, aber auch hier könnte theoretisch Abhilfe geschaffen werden.
InNOVAtion
Welche Auswirkungen hat 5G für Ihre Netzkonfiguration? Wird damit die Komplexität weiter steigen, oder werden neue Technologien wie Self-Organising-Networks (SON) die Mobilfunknetze wieder transparenter für den Operator machen?
Zoran Gardijan
Bei der aktuellen Diskussion um 5G muss meiner Meinung nach geklärt werden, ob es sich wirklich um eine neue Technologie handelt oder nicht. Ich glaube, dass es in Zukunft eher darum gehen wird, die spektrale Bandbreite besser auszunutzen und das Zusammenspiel der einzelnen Technologien zu optimieren.
An der hohen Komplexität der Netze wird sich ohne zusätzliche Maßnahmen meiner Einschätzung nach nichts ändern. Die SON-Technologie ist vor allem für die Netzplanung interessant, da sich damit neue, regelbasierte Software-Funktionen festlegen lassen, die sicher viel verändern werden. Die Folge ist ein zusätzliches System mit neuen Schnittstellen. Welche Funktionen dabei genau entstehen werden, ist derzeit noch offen.
(Interview 2016)
Ihr Ansprechpartner
Ingo Bauer
Leiter Produktmanagement Telco Solutions
Ingo.Bauer@ micronova.de
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